FOLGE 4: BÜRGERBRÄU INNSBRUCK
Ich habe wieder einiges zusammenfinden können, um daraus ein weiteres spannendes Kapitel der Innsbrucker Wirtschaftsgeschichte zu schreiben. Es ist jedes Mal auf´s Neue eine spannende Suche: Finde ich ausreichend Material, das ich zum Erzählen verwenden kann? Ist es dann interessant genug? – Eigenartig, aber bis jetzt konnte ich noch zu jeder Folge alle Fragen mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. Aber es ist unwahrscheinlich mühsam. Damit man sich ein ungefähres Bild vom Arbeitsaufwand machen kann: Ich benötige für jede Folge rund 20 bis 30 Stunden, bis alles fertig und lesbar ist. Meistens bin ich gerade dabei, auf den Button „Veröffentlichen“ drücken zu wollen und stolpere dann doch noch über ein wichtiges Detail, welches ich unbedingt noch einbauen muss. So auch dieses Mal…

Wer heute durch die obere Ing. Etzel-Straße spaziert, kann sich gar nicht (mehr) vorstellen, dass bis vor knapp 20 Jahren anstelle des heutigen „Bürgergartens“ eine traditionsreiche Brauerei ihren großflächigen Firmensitz hatte. Und dies seit über 175 Jahren! Interessante und verblüffend ähnliche Parallelen bestehen zwischen den beiden Traditionsbrauereien „Bürgerbräu“ und „Adambräu“: zum ersten der Standort nahe am Bahnhof und ebenso in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Sillkanals, weiters dasselbe Gründungsjahr und beinahe auch dasselbe Jahr des Unterganges sowie zahlreiche Wechsel der Besitzer bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Was einst undenkbar erschien, erfolgte dann für die letzten knapp 10 Jahre ihres beider Bestehens: Nämlich die Zusammenlegung der beiden Brauereien!
Doch der Reihe nach: Am 28. April 1825 (also rund einen Monat nach dem Adambräu) erhielt der Magistratsrat Johann v. Dietrich die Erlaubnis zur Errichtung einer Brauerei in Innsbruck. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Martin Stainer führte er die Brauerei bis 1856, ehe M. Stainer für weitere acht Jahre Alleinbesitzer wurde. 1864 ging die Brauerei in den Besitz von Franz Hamberger & Comp. über, 1874 übernahm zuerst Johann Simon Kapferer die Brauerei und übergab diese 1879 an seinen Sohn Max Kapferer. Schließlich gaben die beiden Herren Summerer und Soyer am 2. Mai 1878 in den Innsbrucker Nachrichten die Übernahme der Pacht der zur damaligen Zeit so bezeichneten „Kapferer-Bräuerei“ bekannt:

Dies ist deshalb von Bedeutung, weil erstens die Brauerei nach diesen beiden Pächtern in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde (siehe nächster Absatz) und zweitens am Vorabend der Bekanntgabe dieser Meldung ein Großbrand in der Brauerei ausbrach, welchem eine spannende und lebendige Beschreibung folgte:




Am 6. Mai erfolgte durch die beiden Pächter ein Aufruf in den Innsbrucker Nachrichten mit der Bitte um Rückgabe zahlreicher Gegenstände aus dem Besitz der Brauerei, die vor dem Feuer gerettet worden sind:

Am 15. Mai erfolgte der öffentliche Dank an die Versicherungsgesellschaft für die rasche Schadenabwicklung:

Und nur drei Monate später verlautbarten die beiden ehemaligen Pächter, dass sie nun die neuen Eigentümer der Brauerei geworden sind:

In diese Ära fiel noch eine weitere bedeutende Neuerung: Am 16. August wurde der Biergarten zum ersten Mal elektrisch beleuchtet! Eine Sensation, die es wert war, in den Innsbrucker Nachrichten kurz erwähnt zu werden:

Schließlich wurde die Brauerei 1894 unter der Führung von Dr. Max Kapferer (1866 – 1950) in die Aktiengesellschaft „Bürgerliches Brauhaus Innsbruck“ umgewandelt und am 1. Jänner 1895 vom Vorbesitzer Josef Summerer übernommen. Dazu berichteten die Innsbrucker Nachrichten am 7. April 1894 unter der Überschrift „Ein bürgerliches Bräuhaus in Innsbruck“ folgendes: „Zur Errichtung eines bürgerlichen Bräuhauses hat sich hier ein Konsortium gebildet und wurde, wie bereits gemeldet, zu diesem Zwecke die Summerer-Brauerei angekauft. Dass ein starker Zusammenhalt unter den Bürgern Innsbrucks stattgefunden haben muss, beweist, dass innerhalb vier Tagen das gesamte Aktienkapital gezeichnet wurde.“ Im Dezember d. J. ging es Schlag auf Schlag: Zuerst wurde der neuen Gesellschaft die Bewilligung erteilt, das städtische Wappen führen zu dürfen (das erkennt man deutlich auf den ersten Etiketten bzw. Rechnungsköpfen) und für Ende des Monats wurde zur konstituierenden Generalversammlung eingeladen.

Zu Silvester 1894 lud der vormalige Besitzer Josef Summerer zur großen Abschiedsfeier in die Lokalitäten des Bürgerbräu ein und gleichzeitig kündigten die neuen Eigentümer an, alles aufzubieten, um gutes und gesundes Bier zu erzeugen.

Gleichzeitig gab der neue Pächter Gottfried R. Ermenz die Übernahme der Pacht bekannt und versprach, durch vorzügliche Speisen und Getränke und aufmerksamer Bedienung die Kundschaft zufrieden zu stellen:

Josef Summerer starb dreizehn Jahre später mit 73 Jahren und wurde am Westfriedhof begraben. Sein Grab existiert heute nicht mehr.

Kundmachung über den Eintrag der Aktiengesellschaft beim Handelsgericht mit einer Auflistung der Mitglieder des Verwaltungsrates sowie des Geschäftsführers (Innsbrucker Nachrichten vom 4. Februar 1895)


Die Geschäftsentwicklung dürfte allem Anschein nach sehr erfolgreich verlaufen sein, so zumindest lässt es sich aufgrund der Tagesordnungspunkte auf den beiden angekündigten Generalsversammlungen von 1902 und 1903 vermuten:


Dass sich die häufig wechselnden Pächter (vielleicht gab es anfangs nur 1-Jahres-Verträge?) um das Wohlwollen ihres Publikums sehr bemühten, beweisen nachstehende Annoncen aus den Innsbrucker Nachrichten:




Das Jahr 1929 brachte eine ganz besondere Weichenstellung für das Bürgerliche Brauhaus, denn am 13. August wurde im Tiroler Anzeiger zu einer außerordentlichen Generalversammlung eingeladen: Es lagen besondere wichtige Gründe vor betreffend der weiteren Eigentumsverhältnisse:

Eine Woche später konnte man an derselben Stelle lesen, dass sich die Österreichische Brau A.G. gemeinsam mit noch weiteren Brauereien, nämlich der Sternbrauerei Salzburg, der vereinigten Tiroler Brauereien Kundl-Jenbach, der Liesinger Biervertrieb Stefag Ges.m.b.H. und der Badgasteiner Thermalwasser vereinigt hatten. Damit vereinigten sich in Tirol die beiden größten Brauereien und erzeugten insgesamt rund 98.000 Hektoliter Bier, was beinahe die Hälfte der gesamten Tiroler Bierproduktion betrug (Stand 1927/28, in: Tiroler Anzeiger vom 27. September 1929)! Adambräu rangierte tirolweit nur an dritter Stelle mit rund 34.000 Hektoliter Bier. [Auch hier gibt es eine interessante Parallele zu einem anderen traditionsreichen Innsbrucker Wirtschaftsbetrieb, nämlich der Ersten Tiroler Arbeiterbäckerei (siehe Folge 1). Auch dort verschoben sich die Eigentumsverhältnisse von einer Handvoll Idealisten, gebündelt in einer Genossenschaft, zuerst zugunsten der G.Ö.C. und etliche Jahrzehnte später zum Konsum Österreich.]
Im Juli 1930 wurde in den Innsbrucker Nachrichten in einem großen Artikel sehr detailliert über den soeben fertiggestellten Umbau im Bürgerbräu berichtet:




1936 übernahm das Bürgerbräu erstmals auch das Kaffeehaus in der Messehalle und baute es zusammen mit dem damaligen Restaurant zu einem großen einheitlichen Messerestaurant aus.

Mit Jahresende 1994 übersiedelte die Adambräu-Brauerei in das Areal des Bürgerbräu. Knappe zehn Jahre verblieben dann beide Brauereien an diesem Standort, bis – ich glaube 2004 – der endgültige Auszug erfolgte. Der Vertrieb übersiedelte nach Neu-Rum, während die Produktion tirolweit eingestellt wurde. Danach blieben die Gebäude noch eine zeitlang leerstehend, bis dann Anfang 2007 mit den Bauarbeiten begonnen wurde. Schließlich sind 2008 wichtige Einrichtungen wie das Jugend- und Sozialamt, das BFI oder auch die Pensionsversicherungsanstalt in die neuen Gebäude eingezogen.
Was jetzt nicht fehlen darf, sind natürlich Aufnahmen vom alten Firmenkomplex (Aufnahmedatum: August 2004 und Juli 2005)! Wer kann noch Näheres dazu erzählen? Gibt es vielleicht noch ehemalige Mitarbeiter*innen?
























Und am Ende noch ein bißchen Reklame …

… sowie verschiedene Bieretiketten, vermutlich aus den 1950/60er Jahren – vielleicht kann ja jemand nähere Zeitangaben dazu machen…









Zu allerletzt muss ich noch auf das „neue“ Bürgerbräu-Bier kurz eingehen: Seit Herbst 2021 gibt es wieder ein Bürgerbräu-Bier mit ähnlich gestaltetem Logo und dem Stadtwappen darin, welches an die Tradition von Bürgebräu anschließen möchte. Auf den ersten Blick glaubt man, es wird wieder Bier in Innsbruck gebraut, aber das stimmt nicht. Die Produktion erfolgt nämlich in Lienz/Osttirol. Aber letztlich egal, wo es gebraut wird – mir schmeckt´s jedenfalls!

Danke Herr Svehla, da werden Erinnerungen wach. Von 1962 bis 1966 habe ich die Volksschule Dreiheiligenstrasse besucht. Beim Vorbeigehen am Bürgerbräu roch es besonders. Ganz besonders, wenn Bauern den Biertreber holten, der aus dem von der Ing.-Etzel-Strasse aus sichtbaren Silo auf die offenen Anhänger geladen wurde.
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Sorry! Es muss natürlich Volksschule Dreiheiligen heißen, welche ja in der Jahnstrasse ist.
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